Dieses Buch ist die Selbstauskunft eines Autors, der ansonsten kaum öffentlich auftritt und sich selbst einem rigiden System aus Schreiben und Laufen unterworfen hat. Schon sein Buch „Wovon ich spreche, wenn ich vom Laufen spreche“ (Titel eine Anlehnung an ein Buch des von Murakami hochverehrten Raymond Carver), erzählte er vom Aufstehen um 5 Uhr morgens, dann Schreiben, dann Sport und der Rest des Tages mit dies und jenem verbringen und früh ins Bett. Anders will er nicht leben, anders kann er nicht schreiben. Aber warum schreibt er, was findet er schreibenswert, wie findet er seine Ideen, was hält er von anderen Autoren und wer sollte überhaupt Schriftsteller werden? Davon erfährt man ein wenig, aber nicht so viel, wie mancher vielleicht erwarten mag. Es ist ein Buch für Schreibende und Hardcore Fans.
Von einem wahnsinnigem Genie oder saufendem Abenteurer (Hemingway, Kerouac, Bukowski), der leicht paraphrasiert darüber Bücher verfasst, kann man bei Murakami weißgott nicht reden. Eher ein Angestellter im Dienste der Literatur, ein Mönch des Schreibens. Von Nick Cave hört man, er habe für sich einen ähnlichen festen Büroalltag für Kreative gefunden. Bei beiden kommt dabei immer wieder Schönes, Tiefsinniges, Lebenskluges und sehr Unterhaltsames zu Stande. So erstaunlich das für die am Geniekult, Rock `n Roll und verkrachter Künstler festhaltende Leser sein mag.
Der innere Stierkampf
Kein Wunder also wenn Murakami über seine Themenfindung schreibt: „Nichts zu schreiben haben, bedeutet mit anderen Worten, völlig frei irgendwas schreiben zu können.“ Und anders als Hemingway als Typ, der seine besten Bücher mit seinen Erfahrungen aus Krieg und Stierkampf schrieb oder Kerouac aus seinen Abenteuern unterwegs, findet Murakami seinen Stoff in den Erinnerungen an Menschen um ihn und der Welt in ihm.
„Von Beruf Schriftsteller“ besteht zur einen Hälfte aus bereits in einer Zeitschrift publizierten Artikel über das Schreiben und ihn als Autor. Die andere Hälfte sind neue Texte zum gleichen Thema. Er behandelt in jeweils eigenen Kapiteln die Gründe Schriftsteller zu werden, Literaturpreise und Originalität, die Frage: Worüber schreiben?, die Zeit als Partner, den Sport, die Leser und das Leben im Ausland. Ich bezweifle, dass dieses Buch außer für Hardcore Murakami Fans und andere Schriftsteller oder solche, die es werden wollen, interessant ist.
Vorsichtige Erkenntnisse wenig über Murakami Bücher
Der simple, sehr fließende Stil ist auch hier Murakamis Markenzeichen, auch die sehr vorsichtig vorgetragenen, manchmal sich fast entschuldigenden Erkenntnisse über das Leben und So-Sein ist wie in den Romanen. Nur dass sich hier alle Erkenntnisse auf das Schreiben und Autorenleben beziehen, auf den Literaturbetriebs und die heutige Verlagswelt. Nichts, was einen Nicht-Autor wirklich interessieren dürfte. Denn Murakami erzählt keine Details über seine Bücher, seine Figuren oder die Frage, wie er konkret für dieses oder jenes Buch inspiriert wurde. Auch nicht darüber, welche Themen ihn warum interessieren.
Wer also eine Art „Making Off“ Buch erwartet, wird enttäuscht werden. Dafür gelingt es ihm, die Schönheit des Schreibens, diese Momente totaler Klarheit, den Flow, den Augenblick, in dem eine Idee zum ersten Wort wird und dann vielleicht ein Roman – diese sehr schriftstellerischen Momente des Glücks, die beschreibt er sehr schön.
Sehr intelligente Menschen werden nicht Schriftsteller
In einer schönen Charakterisierung von Romanautoren im Gegensatz zu „Menschen mit einem raschen Verstand oder überdurchschnittlicher Intelligenz“, beschreibt er Autoren als Menschen, deren Denken im gemächlichen Tempo und via Umweg über eine Geschichte stattfindet. Menschen hingegen, die sehr klare Vorstellungen haben, was sie sagen wollen, erklären wollen, was sie denken, wie die Welt ist, diese Menschen brauchen kein „Behältnis“ wie eine Geschichte oder fiktive Personen und Schauplätze bemühen. Diese Leute formulieren ihren Gedanken in ein paar Stunden und schreiben sie in Zeitungen oder tragen sie vor und die Leser werden „Genau!“ rufen. Schriftsteller denken anders, umständlich, langsam, suchend und zweifelnd.
Und so erklärt er auch, warum so viele Autoren, ein oder zwei Bücher schreiben – und sich dann anderen Dingen zuwenden, die besser zu ihrem Intellekt und Denktempo passen. Jeder, der Kunst macht weiß, man kann keine auf Erfolg getrimmten Bücher schreiben, nicht über einen längeren Zeitraum. Man kann nur schreiben, was man schreiben kann. Und auch wie man schreiben kann. Und so gelang es Murakami in den vergangenen 35 Jahren „internationale“, von der japanischem Kultur scheinbar losgelöste, Geschichten zu erzählen, die auf der ganzen Welt funktionierten.
Romanschriftsteller ist Langstrecke
Davon, wie von seiner sehr reduzierten, „einfachen“ Art zu Schreiben ist er seitdem nicht abgewichen. In über 35 Jahren schuf er 13 Romane und diverse Kurzgeschichten und publizierte sie in 50 Ländern der Welt – meist als Bestseller. Und manchmal klingt er selbst noch so überrascht wie glücklich über diese Tatsache. Er betont: Schreiben kann jeder. Schreiben tun viele. Viele werden auch veröffentlicht, von der Kritik gelobt, gewinnen Preise. Aber wenn man nach 10 Jahren schaut, wer von denen noch schreibt, sind das sehr wenige. Romane Schreiben ist ein Ausdauersport (wie die Marathons und Ultras, die Murakami läuft) und man muss immer weitermachen, jeden Tag, jedes Jahr. Und das ist nicht für jeden. Aber nur so wird es was. Er selbst ist der Beleg. Und dieses Buch eine Anleitunge, wie man es machen kann und was man dazu braucht. Andere Autoren haben andere Wegeg gefunden.