AM 11. April hab ich mit viel Freude den 2. Fachtag Kulturkitas in Dortmund moderiert. Frühkindliche kulturelle Bildung könnte…. eine Menge! Sie könnte DER Weg gegen die Bildungskrise sein. Könnte Teilhabe und Integration deutlich erhöhen. Könnte Bildungschancen unabhängig von sozialer Herkunft machen. Sie könnte uns aus dem PISA Tal holen, könnte, könnte, könnte.
Allein, es gibt kein Geld, keinen ernsthaften politischen Willen (obwohl ALLE einer Meinung sind) und in einem alternden Deutschland gibt es leider auch keine Lobby für Familien und Kinder. Rentner rule Germany.

Seit Jahren sind die Diagnosen für das ungerechte Bildungssystem in Deutschland bekannt, genau wie die Warnungen vor Fachkräftemangel, ausbleibenden Innovationen und immer weniger Bildungsaufsteigern. Die Exzellenz in der Spitze wird genau so nachlassen wie möglichst gute Schulabschlüsse für möglichst viele Kinder, die nämlich die Teilhabe möglichst vieler Menschen an Meinungsbildung, Demokratie sowie sozialem und wirtschaftlichen Leben zur Folge haben.

Mit Aladin El-Mafaalani (Prof. TU Dortmund) Andreas Gruhn (Intendant KJT Dortmund) Barbara Hali (Museum Ostwall), Christine Hartman-Hilter (stellv. Direktorin Dortmund MUSIK) habe ich mit vier Praktikern und Experten auf dem 2. Fachtag Kulturkitas in Dortmund über die frühkindliche kulturelle Bildung der Gegenwart gesprochen. Und was eigentlich passieren sollte. Was möglich wäre.

Ein paar Notizen aus dem Impulsvortrag von Prof. Aladin El-Mafaalani und dem anschließenden Podiumsgespräch:
Es gibt in Deutschland einige Millionen mehr ADAC Mitglieder als Eltern von Minderjährigen. Die Eltern minderjähriger Kinder sind demokratisch (also bei Wahlen) irrelevant, weil die wählende Mehrheit bald über 60 Jahre alt ist – Stichwort „Gerontokratie“.

Der gigantische Kitaausbau und auch der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz in den letzten Jahren geschah NICHT wegen der Kinder und Familien oder um Bildungschancen zu verbessern. Eigentlicher Grund: die Hoffnung durch eine höhere Erwerbsquote (vor allem der Frauen) das Rentensystem zu retten. Qualität, Inhalte, Bildung spielte und spielt keine Rolle.
Und die Folgen sind messbar: man kann jetzt nicht mehr feststellen, dass Kinder, die mindestens ein Jahr eine Kita besucht haben, in der Schule später besser zurecht kommen. Etwas, das man bis vor wenigen Jahren eindeutig messen konnte. Dieser Effekt betrifft übrigens nicht die Kinder aus wohlhabenden Familien. Die kommen laut Studien immer bzw. weiter gut zurecht. Aber bei Familien aus sozial schwierigeren Verhältnissen, sind die negativen Auswirkungen eindeutig. Masse statt Klasse hat also dazu geführt, dass der über Jahre immer messbare positive Effekt frühkindlicher Bildung verschwunden ist.
Dass es dennoch im Land gute Ansätze und punktuelle Erfolge gibt, ist erfreulich, darf aber nicht beruhigen. Denn in der Breite steuert das Land auf ein massives Problem zu. Mitten im Fachkräftemangel, verhindern wir, dass junge Menschen ihr Potential ausschöpfen. Dazu unten mehr.

Die Studienlage ist also klar: Der Einfluss frühkindlicher Bildung auf den Bildungserfolg ist wegweisend – ab der Grundschule sind Unterschiede fast nicht mehr zu beeinflussen. Trotzdem kaum Geld oder nur projektbezogene Tropfen auf den heißen Stein. Die soziale Herkunft hängt Kindern schulisch ihr Leben lang an. Oft ist die verknüpft mit einer Einwanderungsgeschichte.
Die Folge: Superdiverse Kitas und Schulen sind Alltag – in München und Stuttgart erstaunlicherweise mehr als im Ruhrgebiet. Musikmachen, Theater, Kulturelle Bildung unterstützen eindeutig einen Bildungserfolg. Auch diese Daten sind messbar. Aber weil Kulturelle Bildung in der Breite ausbleibt und weil das neue Normal permanent überlastete Kitas und fehlendes Personal bei gleichzeitig „superdiversen“ Gruppen und steigenden sozialen Problemen ist, war die bittere Prognose von Aladin El-Mafaalani: Die Pisastudie 26 wird wohl noch verheerender ausfallen als schon die letzte.

Warum jeder investierte Euro in frühkindliche Bildung mehr Rendite für die Menschen hat, als jede sehr gut laufende Aktienanlage, beschreibt Aladin El-Mafaalani in diesem kurzen Video,

Inseln der Glückseligkeit oder zumindest des kompetenten, ernsthaften Bemühens gibt es in Dortmund aber dennoch: Kooperationen von Kitas mit der Musikschule, dem KJT (Kinder und Jugendtheater) mit dem Museum Ostwall und dem Dortmunder U, mit freien Träger aus der Theater und Kulturszene. Es gibt beim städtischen Kita-Träger FABIDO eine Stelle nur für Kulturelle Bildung, es gibt eine Theaterpädagogin am KJT, bezahlt von FABIDO – und nicht zuletzt gibt es die 17 Kulturkitas in Dortmund, die Kulturelle Bildung fest in ihrem Alltag verankert haben, die über Fortbildungen, Kooperationen, engagierte Fachkräfte und und auch Fachtagen der immer schwieriger werdenden Lage etwas entgegenhalten.

Danke geht an das Kulturbüro Dortmund und das Netzwerk Kulturkitas, außerdem die tollen Workshopleiter*innen, das Orgateam und das Theater Fletch Bizzel als Gastgeberin. Es war mir ein Fest…