In diesem Zusammenhang ein paar Evergreens der Ratgeberliteratur:

1: Schreib was du kennst (deswegen vermutlich die vielen stark autobiografischen Bücher). Aber wie erklärt sich dann das Gerne Science Fiction oder Krimi oder historische Romane? Sind die Autoren Mörder, Raumfahrer oder Zeitreisende? Sicher nicht. Es geht beim Schreiben viel mehr um etwas anderes, als bloß das, was man kennnt. Eher sogar darum, was man kennenlernen möchte!

2: Schreiben ist Handwerk, also faktisch von jedem erlernbar. Mal eben besser, mal eher nicht. Wie erklärt sich aber dann, dass nur etwa 5% der Absolventen all der Schreibschulen und Schreibseminar und Schreibstudiengänge später Autor werden? Viele Autoren schaffen ein Buch, dann keines mehr. Und warum hört man von so vielen tollen Ideen für Romane, aus denen aber doch nie ein Buch wird? Weil auch um etwas anderes geht beim Schreiben. Ums Weitermachen.

3: Die drei wichtigsten Regeln für eine gute Geschichte: Konflikt, Konflikt und Konflikt. Wer dieser (vor allem US-amerikanischen) Regel folgt und damit Gut gegen Böse, Imperium gegen Rebellen, Cowboy mit weißem Hut gegen den mit dem schwarzen Hut oder Bruce Willis gegen die Bösen meint, sieht nur einen kleinen Teil. Konflikte können z.B. auch sehr innerlich sein – oder kaum spürbar, wie in einigen Murakamibüchern. Oder sie sind teilweise undurchschaubar wie bei Kafka oder Uwe Johnson, oder schon esoterisch wie bei Hesse oder Carlos Castaneda, oder nur als Erklärung im nachhinein zu erkennen, weil auf keiner Seite des Buchs irgendwer gegen irgendwen kämpft – nichtmal gegen sich selbst – wie bei Handke oder W.G. Sebald oder in frühen Büchern von Ondaatje oder oder oder.

Was stimmt ist:

#1 Alle (na gut, sagen wir 80% der Leute) können gute Literatur erkennen (spüren), wenn sie sie lesen. Aber selbst wenn wir sie spüren, können wir sie nicht verstehen im Sinne von „nachbauen“. Nur indem wir Regeln wie den oben genannten folgen oder sie nach Bausatz zusammenfügen, entsteht noch keine Geschichte, die fliegt. Ja, Plot, Konflikt, Dialog, Themenwahl sind Hinweise und Zutaten, aber weder Herz noch Skelett einer guten Erzählung

#2 Nur wer viel liest, kann schreiben. Aber wer beim Schreiben nicht aufhört zu lesen, wird nur etwas schreiben, das nach jemand anderem klingt. Die berühmte „Stimme“ oder der Sound, gelingt vielleicht erst bei der fünften oder zehnten Geschichte. Dafür muss man ganz viel lesen und dann allein weiterreisen.

#3 Nur wer sitzen bleibt, jeden Tag, wird irgendwas von Wert fertig bekommen. Wert heißt hier, etwas interessantes, gut geschriebenes, vielleicht sogar eigenwilliges. Selbst wenn kaum jemand diese Texte dann liest, ist man ein Schrifsteller, eine Schriftstellerin.

Seminare wie das, was ich vorhabe, sind also eher Reiseführer. Sie weisen in eine Richtung, geben Tipps, öffnen Möglichkeiten, bieten eine Weile eine Stütze. Losfahren, suchen, sich verlaufen und dann finden (vielleicht auch, was man gar nicht gesucht hat) muss man allein. Klar kommen vor Ort=am Schreibtisch, im Text, nach dem Text auch. Wie echtes Reisen hat Schreiben ja nichts damit zu tun, Orte abzuhaken und Fotos vor Kulissen zu schießen , sondern mit Entdecken, unverwechselbar eigenes finden und spüren und riechen und erstaunt sein – auch mal über sich selbst. Wobei ein Reiseführer am Anfang helfen kann – wie ein Schreibseminar beim Schreiben.