Kreativ-Sein ist erstmal kreatives Denken (können). „Kreativ“ verstanden als etwas, das keinen offensichtlichen Zweck erfüllt, nicht getan werden muss, nichts bloß erledigt oder eindeutig erklärt. „Kreativ“ als Anspruch ausgedacht, ein bisschen eigen, möglichst unterhaltsam und ein bisschen klüger als sein Autor zu sein ohne, dass der das beeinflussen könnte. Für Kreatives Schreiben gilt das gleiche.

Ein Seminar zu Kreativem Schreiben, wie ich es für eine Kunstschule derzeit konzipiere, will gewissermaßen ein Treppengeländer sein, das nach oben (oder unten, je nach Geschichte) führt und den Autoren und Autorinnen die Angst nehmen, weiterzugehen oder zu stürzen. Kraft, Mut und Ausdauer für den Auf- ode Abstieg muss aber jeder und jede trotzdem selbst entwickeln. Allein. Erst am Geländer entlang, dann vielleicht frei(händig).

Mißbrauchtes Wort „kreativ“ – es hält heute her für Shampoo wie für Software, für Socken und Salon-Möbel, Restaurants und Fingernägel. Von den Großraumbüros bis in die Arbeitslosigkeit hinein herrscht der kreative Imperativ. Arbeitende, und Arbeitssuchende, Konsumenten und Hersteller, Wochenendler und Freizeitorganisatoren – alle sollen kreativ sein.

Schreiben und kreativ in seiner heutigen Bedeutung. synonym für flexibel und anpassbar, selbstoptimiert und immer gut drauf, passt kaum zusammen.

Schreiben ist dagegen kontrollierte Scheiterbereitschaft, ist Try und Error, ist Serendipity (loslaufen ohne Ziel und dann nicht gesuchte Zufallsfunde), ist Unbwusstes anzapfen und bewusst sortieren. Schreiben kostet sehr viel Zeit und bringt dafür oftmals schlechte Laune (weil’s nicht läuft). Schreiben könnte nicht weiter weg sein von Maschine oder Selbstoptimierung und digitalem Tracking mit dem Ziel, eine Tätigkeit fehlerlos und bis ins letzte kontrolliert hinzubekommen. Das kann ein Roboter tatsächlich besser. Und so fühlen sich selbstoptimierte, nach Handbuch geschriebene Texte an dann.

Morgen TEIL 2