Als ich dieses Jahr 49 wurde, meinte ein Freund, „Jetzt ist die letzte Zahl auf dem Lottoschein erreicht.“ Wohl wahr.
Die Chancen beim Lotto zu gewinnen, sind 1 zu 140 Millionen. Diese Wahrscheinlichkeit gibt es auch an anderen Stellen: Wo man aufwächst, wen man trifft, in wohin es einen zur Ausbildung, zum Studium zieht, die eigenen Gene, welche Dinge uns begegnen. Mit Dinge meine ich Kunst, Fotos, Filme, Bücher, Vorbilder, Konzerte, Platten, Gespräche.

In 6aus49 möchte ich 6 meine liebsten oder wichtigsten oder erinnerungsstärksten Dinge aus unterschiedlichsten Sphären vorstellen: Fotos, Filme, Songs, Alben, Ausstellungen, Bücher, Augenblicke, Reisen, Begegnungen, Orte, Niederlagen, Fehler, Erkenntnisse und Zitate – und was mir noch alles einfällt, das Geschmack geschult, Ideen gefestigt, mich beeinflusst und mein Denken vorangetrieben hat.

Auch wenn wir es gern anders hätten und auch noch viel lieber anders erzählen (nämlich als „Entscheidungen“ für oder gegen etwas), ist das meiste doch vom Zufall bestimmt. Selbst unser vermeintlich individueller Geschmack, unsere spezielle Meinung, ja sogar unsere Präferenzen für Orte, Sportarten, Tische und Farben ist – wie Amazon, Spotify und Facebook zeigen – sehr leicht einer Gruppe von weiteren Dingen zuzuordnen. Dingen, die man uns verkaufen möchte – und kann. Wir sind außerdem Kind einer Zeit, eines Ortes, einer sozialen Schicht, eines Geschlechts und kultureller Zusammenhänge. Nichts ist leichter als daraus Gemeinsamkeiten zu filtern.

Den vermeintlich speziellen Geschmack zu entschlüsseln, ist nur eine Frage des Algorithmus. Und wir helfen den Internetriesen tüchtig mit Likes und Shares und Kommentaren – und bekommen so zunehmend mehr vom Gleichen angeboten.
Das werden die (Konsum/Meinungs/Geschmacks)Bubbles, in denen wir leben – in denen wir allerdings auch schon vor dem Internet gelebt haben.

Auch vor Internet hatte jedes Milieu seine Kleidercodes, seine Lokale, Reiseorte, Produkte, Sportarten, Zeitungen, Musikstile und Sprache. Vielleicht kochten wir sogar noch mehr in der eigenen Sauce als heute, wo all die anderen, teilweise unvorstellbar anderen Milieus und Meinungen und Perspektiven und Orte und Produkte und Rezepte und menschlichen Regungen nur einen Klick weit weg sind – von sexuellen Fetischen bis zu Fanseiten von Zierschweinhaltern oder ein neo-kommunistisches Manifest, eine chilenische Fischsuppe oder ein Diskussionsforum zu Golf GTI Auspuffrohren.

Geschmack. Eie Prägung aus Umfeld und Genen, Moden, Trends. Aber auch diffuse Dinge wie Körpergefühl, kollektive Stimmung, externe Ereignisse und Zufallsbegegnungen. Dazu gibt es diese winzigen Zeitfenster, in denen uns zum richtigen Moment ein Lied oder Buch oder Kunstwerk begegnet, das uns fortan als Erinnerung begleitet. Die bleibenden Momente, die aus Kunst entstehen, kennt jeder von aus der „Musik-meiner-Jugend-Nostalgie“, den Fernsehserien der Kindheit, bei mir aber auch z.B. mein erster Tarantino Film (Pulp Fiction) oder der Augenblick, als ich zum ersten Mal Nirvanas Smells like Teen Spirit gehört habe: Durchstraße Dortmund, Fahrtrichtung Höchsten, 9 Uhr morgens nach einer Nachtschicht im Rettungswagen. Sofort gewusst: Die Musik gehört mir.

6 Dinge werden das also werden, die meine 50 vergangenen Jahre besonders gemacht haben. Und wenn ich auch nur Teil einer Alterskohorte und eines Zeitgeists bin, so gehören die hier bald versammelten Dinge in dieser Kombination, mit diesen Erinnerungen und Erzählungen ganz allein in mein Leben. Glaube ich zumindest. Wenigstens ist es eine Geschichte – wörtlich verstanden.